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Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom – ist das so?

Wir wissen heute, dass praktisch alle unsere einheimischen Fische in unterschiedlichen Ausprägungen Wanderungen durchführen. Das machen die Tiere in allen Altersstufen flussaufwärts wie auch flussabwärts. Das heisst, auch lebendige Fische schwimmen mit dem Strom. Aber warum wandern die Tiere überhaupt?

Entwicklungszyklus der Bachforelle

Ein wichtiger Grund dafür ist der Entwicklungszyklus der Fische. Der Zyklus einer neuen Fischgeneration beginnt mit der Eiablage und deren Befruchtung. Dazu werden, je nach Fischart, spezifische Lebensräume aufgesucht. Um diese zu erreichen wandern die adulten Tiere meist flussaufwärts in die sauerstoffreichen Oberläufe. Ab dem Schlüpfen aus dem Ei bezeichnet man die Fische als Brütlinge. Der Begriff umfasst verschiedene Entwicklungsstadien des Jungfisches. Diese wandern ab einer gewissen Entwicklung in Nahrungshabitate ab. Um in ihrem jeweiligen Entwicklungsstadium die idealen Ressourcen (wie Nahrung) und Lebensbedingungen (wie Wassertemperatur, Strömung, …) vorzufinden, wandern also die Tiere. Flussaufwärts zum Laichen, danach flussabwärts um sich zu ernähren. Häufig sind die Nahrungsbiotope strömungsberuhigter als die Laichhabitate, welche eine rasche Überströmung für die Sauerstoffversorgung der Eier benötigen. Zudem ist die Nahrung selbst häufig zeitlich und räumlich variabel im Fliessgewässer verteilt, was eine Anpassung der Fische bedingt.
Unabhängig von ihrer Entwicklung leben Fische in einem sehr dynamischen System, in dem sie sich rasch an ändernde Umweltbedingungen anpassen müssen. So wandern die Tiere z.B. in heissen Sommern in denen sich die Flüsse erwärmen in kühlere Seitenbäche oder besiedeln nach einem Hochwasser wieder Flussabschnitte von denen sie weggeschwemmt worden sind. Darüber hinaus gibt es sogenannte Überwinterungswanderungen: Viele Fischarten reduzieren bei tieferen Temperaturen ihre Aktivität. Sie ziehen sich dann gerne in Winterhabitate, welche strömungsberuhigter sind, zurück.

Fische sind also aufgrund ihrer Biologie auf eine intakte Vernetzung der Fliessgewässer inklusive deren Seitengewässer angewiesen. Sie schwimmen sowohl stromaufwärts als auch stromabwärts. Wenn die Wanderungen nur noch in eine Richtung oder sogar gar nicht mehr möglich sind, können sie nicht überleben.


Das Poster kann hier beim BAFU gratis bestellt werden.

 

Wandertypen der Fische

Die Fische wandern sowohl aus verschiedenen Gründen als auch zwischen verschiedenen Gewässern (Salz – und Süsswasser). Man unterscheidet dabei folgende drei Wanderungstypen:

Ozeanodromie
Wanderungen innerhalb der Meere (Salzwasser)

Potamodromie
Wanderungen innerhalb des Süsswassers

Diadromie
Wanderungen zwischen Meer und Süsswasser

Die Distanz, die durch eine Wanderung zurückgelegt wird, spielt keine Rolle für die Klassifizierung. Es gibt sehr grosse Entfernungsunterschiede, welche die Fische zurücklegen: von wenigen Metern bis zu tausenden von Kilometern.

Die diadrome Fischwanderung kann wiederum in drei weitere Klassen unterteilt werden:

anadrom

Fortpflanzung im Süsswasser, Aufwuchsphase im Meer

Bsp: Atlantischer Lachs
(Salmo salar)

katadrom

Fortpflanzung im Meer, Aufwuchsphase im Süsswasser

Bsp: Europäischer Aal
(Anguilla anguilla)

amphidrom

Regelmässiger Wechsel zwischen Meer und Süsswasser

Bsp: Flunder
(Platichthys flesus)

Auslöser für die Wanderungen

Die Auslöser für die Fischwanderungen können sowohl interne  als auch externe Faktoren sein. Zu den externen Faktoren zählen unter anderem die Temperatur, die Wasserqualität und die Verfügbarkeit von Beute. Interne Faktoren sind zum Beispiel der innere Drang des Fisches, an seinen Geburtsort zurückzukehren („Homing“). Grundsätzlich wird die Wanderung immer von mehreren, komplex zusammenwirkenden Parametern bestimmt.

Wanderzeiten

Fischwanderungen können das ganze Jahr über stattfinden. Je nach Fischregion geschieht dies mit saisonal unterschiedlicher Intensität. Für die meisten Arten gilt: Je tiefer die Temperaturen, desto inaktiver sind die Tiere. Als grobe Faustregel kann man davon ausgehen, dass die meisten Wanderungen zwischen Mai und Oktober stattfinden. Eine Ausnahme bilden eine Reihe von Salmoniden wie z.B. die Bachforelle, welche im Winter laicht.

Dann sollen sie doch wandern

Die Problematik besteht nun darin, dass es in der Schweiz über 101’000 künstliche Hindernisse gibt zusätzlich zu über 1’000 Wasserkraftwerken, die eine freie Fischwanderung verunmöglichen (siehe auch Zustand Fliessgewässer). Dies hat unter anderem zum starken Rückgang der Schweizer Fischfauna geführt.

Die folgenden Videos wurden im Rahmen des Projekts „Fluss frei“ der Umweltorganisation Aquaviva erstellt und zeigen anschaulich diese Problematik auf.