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Der freie Weg nach Unten

Fische wandern sowohl flussaufwärts als auch flussabwärts. Beides ist heute nur noch sehr eingeschränkt möglich. Beim Fischaufstieg spielen auch nicht kraftwerksbedingte Hindernisse eine grosse Rolle, beim Fischabstieg geht es vowiegend um Lösungsansätzen an Wasserkraftwerken. Der Fischabstieg wurde sehr lange vernachlässigt und verglichen mit dem Fischaufstieg gibt es in Bezug auf FIschabstieghilfen (FabH) bisher nur wenig Kenntnisse und Erfahrungen an Schweizer Kraftwerken. Daher wird hier im Folgenden etwas ausführlicher auf die Problematik und die bestehenden Lösungansätze eingegangen.

Der gefährliche Weg durch die Turbine

Die Krux besteht darin, dass Fische beim Abwandern der Hauptströmung folgen und dadurch zwangsläufig in die Turbinen der Wasserkraftanlagen gelangen. Die möglichen Folgen für die Fische sind fatal: mechanische Verletzungen durch direkten Kontakt mit den Schaufelblättern der Turbinen, innere Verletzungen durch die Druckdifferenzen vor und nach der Turbine und Gasblasenbildung (Barotrauma, Kaviation) und erhöhte Mortalität im Unterwasser der Kraftwerke durch Fressfeinde aufgrund von Desorientierung. Wie man am Beispiel des Aals besonders deutlich feststellen kann, sind grosse (lange) Fische besonders gefährdet, direkte mechanische Verletzungen zu erleiden, aber auch kleine Fische leiden. Zusätzlich ist es so, dass ein kumulativer Effekt mehrerer aufeinander folgender Kraftwerke besteht und dabei gilt: je mehr Turbinen die Fische passieren müssen, desto geringer ist ihre Überlebenschance.
Ein sehr anschauliches Beispiel dazu ist die Kraftwerkskette am Rhein.

Wenn ein Fisch von Schaffhausen nach Basel den Rhein hinunterwandert, passiert dieser Fisch 11 Wasserkraftwerke.

Geht man nun beispielsweise von der optimistischen Annahme aus, dass an jedem Kraftwerk eine Mortalität von 5 % zu erwarten ist (5 % der Tiere sterben und 95 % überleben beim Passieren des Kraftwerks), kommen von 100 Fischen in Schaffhausen trotz der hohen Überlebensrate rechnerisch nur noch 57 von ihnen in Basel an (0.9511 = 0.57 % = 57 Fische). Nach dem Bundesamt für Energie betragen die typischen Mortalitätsraten an Francis- und Kaplanturbinen je nach Anlagenlayout heute bis zu 70 %1. Damit ist es rechnerisch unmöglich, dass von den 100 Fischen auch nur ein einziges Tier in Basel ankommt (0.311 = 0.0000017 % = 0 Fische)! Fische, die also diese ehemals freie Strecke zurücklegen wollen, wie es ihrer Natur entspricht, sind heute dem sicheren Tod geweiht.

Der SRF berichtete am 31.01.18 im Format Schweiz aktuell über dieses Thema.

Lösungsansätze zum Fischabstieg

Weltweit wird viel geforscht um den Fischabstieg an Wasserkraftwerken zu verbessern. Drei typische Lösungsansätze sind:

Leitrechen-Bypass-Systeme

Die Tiere werden durch einen Rechen davon abgehalten, in die Turbinen zu schwimmen und werden stattdessen in einen Bypass geleitet, der sie schädigungsfrei in das Unterwasser bringt. Wie man den Rechen am Besten baut (mit welchem Stababstand, in welchem Winkel zum Flussquerschnitt, wie angeordnete Rechenstäbe etc.) ist eine Wissenschaft für sich und Gegenstand umfangreicher Forschungen. Wie bei den Fischaufstiegshilfen gibt es auch hier zahlreiche Merkblätter und Leitfäden (Bsp. DWA: Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen, Ebel: Fischschutz- und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen). Anstatt eines Rechens oder additiv wird auch häufig mit der Induktion eines Stromfeldes gearbeitet, welches die Tiere daran hindern soll, in die Turbinen zu schwimmen.
Grundsätzlich ist dieses System bisher an kleinen Wasserkraftanlagen erfolgreich im Einsatz. Bei grossen Kraftwerken (Ausbauwassermenge > 100 m³/s) hingegen ist es durch die starken Strömungen und dem vielen Schwemmmaterial unmöglich die Fische mit Feinrechen als Schutzvorrichtungen von den Turbinen fernzuhalten.

 

Bei den grossen Anlagen arbeitet man mit grösseren Stababständen und angepassten Stellwinkeln der Rechen um mit Strömungsinduktion die Fische in einen Bypass zu leiten – die Praxis hinkt dabei jedoch der Forschung noch hinterher. Die Versuchsanstalt für Wasserbau der ETH Zürich hat zusammen mit dem Verband Aare-Rheinwerke (VAR) weitreichende Untersuchungen dazu durchgeführt, wie man solche angepassten Systeme auch an Grosskraftwerken einsetzen kann. Weitere Infos dazu gibt es hier.


Video Fischabstieg (vaw & eawag)

Verwendung von fischschonenden Turbinen

Je weniger Schaufelblätter eine Turbine hat, je langsamer sie dreht und je weniger Spalten es zwischen den einzelnen Bauelementen gibt, desto höher ist die Überlebensrate der Fische. Daher sind kleine schnell drehende Turbinen gefährlicher für die Tiere als langsam drehende grosse Turbinen.
Um die Überlebensrate der Fische zu erhöhen wurden verschiedene Turbinentypen entwickelt, welche bezüglich der oben genannten Kriterien optimiert wurden. Beispiele dafür sind:

Der Einbau einer fischschonenden Turbine in ein bestehendes Kraftwerk ist je nach Turbinentyp nicht trivial, da die Masse der meisten fischschonenden Turbinen anders sind als diejenigen herkömmlicher Turbinentypen und daher mit umfangreichen baulichen Anpassungen an einem Kraftwerk einhergehen. Eine Ausnahme davon bildet die DIVE-Turbine. Diese stellt sehr niedrige Anforderungen an das Bauwerk und kann inbesondere bei Modernisierungen von Kraftwerken mit Francis- oder Kaplanturbinen ohne hohen Aufwand einfach eingesetzt werden.
Grundsätzlich ist es aus biologischer Sicht stets vorzuziehen, Fische davon abzuhalten in die Turbinen einzuschwimmen als die Turbinen zu optimieren.

 

Fischschonendes Anlagemanagement

Als Betriebliche Massnahme können Kraftwerke bei zu erwarteten Fischabstiegen ihre Turbinen ausschalten (oder drosseln) und ihre Wehrklappen öffnen, so dass die Tiere gefahrlos an den Anlagen vorbeiwandern können.

 

Diese Massnahme setzt allerdings voraus, dass man sehr genau weiss, wann die Tiere unterwegs sind. Das ist bei den meisten einheimischen Fischarten derzeit leider nicht der Fall.


Baier, E. & Rod, R. (2017). Fische auf dem Abstieg. Petri-Heil 4/2017, Rapperswil.
1 Jorde, K. (2012). Forschungsprogramm Wasserkraft. Überblicksbericht 2012. BFE, Bern.